[Berlin-wireless] Freifunk Berlin - Jahresrückblick 2021
Martin Hübner
martin.hubner at web.de
Di Jan 4 00:23:08 CET 2022
Liebe Freifunker:innen, Freundinnen und Freunde,
das Jahr 2021 geht nun doch zu Ende, und es ist Zeit, auf das
Geschaffene zurückzublicken und sich die Dinge noch ein wenig durch den
Kopf gehen zu lassen.
Beginnen wir mit ein paar Zahlen: 2021 haben wir es geschafft, ganze
fünf Firmware-Releases herauszubringen. Das sind etwas mehr als in den
drei Jahren davor zusammengenommen. Wenn man das so festhalten darf, war
der Ansatz des Falter-Projekts hierbei sehr hilfreich: Möglichst wenig
selber an der Betriebssystem-Basis (OpenWrt) verändern und stattdessen
alle eigenen Sachen in Pakete packen.
Diese Maßnahme hat unseren Wartungsaufwand stark reduziert, wodurch wir
mehr Zeit für die wirklichen Freifunk-Features in unserer Firmware
haben. Dennoch würden wir uns sehr freuen, wenn mehr Leute zur Firmware
beitragen. Jeder Beitrag ist herzlich willkommen[1]!
Weiter hoffen wir, dass möglichst viele Leute ihre Firmware updaten, da
zwei Drittel der Router in unserem Netz mit teils prähistorischer
Firmware laufen:
Falter: 244 33.98% (aktuell)
Gonzo: 23 3.20% (älter als 2 Jahre)
Hedy: 254 35.37% (älter als 3 Jahre)
Kathleen: 113 15.73% (älter als 4/5 Jahre)
Dev_Hedy: 39 5.43%
==========================
Gesamt: 718
Stand: 25.Dez 2021, 18 Uhr
Der modulare Ansatz der neuen Falter-Firmware hat auch die
automatisierte Einrichtung von Backbone-Standorten auf Kirchtürmen und
ähnlichen Knotenpunkten möglich gemacht. Die sogenannten bbb-configs
[2], welche mithilfe des Open-Source Automatisierungstools Ansible
orchestriert werden, finden dabei an immer mehr Standorten Anwendung.
Martin und Nick hatten das Konzept im Mai auch auf dem diesjährigen
Wireless-Community-Weekend vorgestellt.
Von einer neuen Ausbauwelle hat in diesem Jahr vor allem das
Backbone-Netz profitiert. Nicht nur wurden viele neue Standorte (vor
allem in Friedrichshain) erschlossen, sondern auch alte Standorte, wie
beispielsweise die Zwinglikirche, saniert. Wir nutzen hierfür
60-Gigahertz-WiFi. Bandbreitenmäßig passt da einiges durch, sodass im
Freifunk-Raum im HdS zum Beispiel rund 400 Mbit/s netto hoch und runter
anliegen.
Zusätzlich zu komfortableren Bandbreiten haben wir es geschafft, IPv6
auf vielen Core-Routern auszurollen. Dadurch wird es möglich, Dienste im
Freifunk-Mesh auch im Internet verfügbar zu machen. Manche
Freifunker:innen machen von dieser Möglichkeit schon Gebrauch. Falls man
solche Dienste nutzen möchte, braucht man zuhause natürlich IPv6. Die
Möglichkeiten sind riesig: Webseiten, Wetterstationen, Matrix-Server,
Blogs, Radiostreams, you name it - mit IPv6 übers Berliner Freifunk-Netz
umsetzbar.
Auch im Jahr Zwei nach Corona hat sich die Nutzung unseres Raumes ein
wenig eingeschränkter gestaltet, als wir uns das eigentlich gewünscht
haben. So konnten wir die vollen Möglichkeiten eigentlich nur im Sommer
wirklich ausschöpfen. Dafür konnten wir da aber auch etwas größere
Treffen machen und gemütlich bei einem Kaltgetränk im Garten planen und
besprechen.
Ab dem Herbst dann, haben wir uns der Lage entsprechend nur noch in
kleinen Einsatzteams für konkrete Durchführungen getroffen. Insgesamt
konnten wir den Berliner Freifunk trotz widriger Umstände gut
voranbringen und für eine stetig wachsende Nutzerschaft etablieren.
Unsere Mitbewohner von SearchWing waren auch nicht untätig: Sie konnten
einen Prototypen zur Einsatzreife bringen und haben diesen im September
auf einem Einsatz auf der "Mission Lifeline" testen können. Die Tests
verliefen erfolgreich und ein weiterer Flieger mit erhöhter Reichweite
ist bereits im Bau.
Aus dem politischen Geschehen um Freifunk gibt es zwei große Dinge zu
erzählen:
Erstens: In diesem Jahr gab es wieder mehrere unerfreuliche und
befremdliche Gerichtsurteile gegen Menschen, die ihr Internet mit
anderen teilen. Die Novelle des Telemediengesetzes 2017 sollte die
profitablen Abmahnungen wegen angeblicher Störerhaftung beim Filesharing
eigentlich beenden, die Gerichte setzen ihre Praxis jedoch unverändert
fort. Alle Betroffenen dieser Abmahnungen haben selbstverständlich
unsere volle Unterstützung und mögen sich mit dem Förderverein Freie
Netzwerke in Verbindung setzen. Leider müssen wir entgegen unserer
Ideale noch immer dazu raten, bei eigenem Uplink den Datenverkehr nicht
direkt auszuleiten, sondern hierfür auf unser Tunneldigger-VPN zu setzen.
Zweitens: Seit Januar ist die "Förderung des Freifunks" ein
gemeinnütziger Zweck nach der Abgabenordnung. Damit können
Freifunkvereine endlich gemeinschaftlich Infrastruktur bereitstellen,
ohne die wichtige Gemeinnützigkeit zu gefährden. Manche Freifunkvereine
waren sogar schon in ihrer Existenz bedroht, weil die zuständigen
Finanzämter enge Definitionen von Bildung, Forschung oder auch Kultur
hatten. Diese Unsicherheit ist jetzt beseitigt - das freut uns, und
öffnet bereits neue Türen :-)
Womit wir auch beim Stichwort "Verein" angelangt sind: Für das Jahr 2022
haben wir uns nämlich eine Vereinsgründung vorgenommen. Wir möchten
einen Infrastruktur-Verein gründen, der die Verwaltung und den Betrieb
von Freifunk-Systemen übernimmt. Also Rechnungen für Server zahlt,
Standortverträge abschließt, und, und, und. Der Infrastruktur-Verein
wird eine operative Ergänzung zum bestehenden Förderverein Freie
Netzwerke sein. Dieser setzt seine hervorragende Arbeit in Bildung,
Forschung und Kultur fort.
All das wäre ohne die tatkräftige Unterstützung unserer Spender nicht
möglich. Dafür ein herzliches Dankeschön!Einen besonderen Dank möchten
wir dabei an unsere Dauerspender richten, die uns mit ihren monatlichen
Spenden Planungssicherheit geben. Ihr seid großartig!
Wir freuen uns auf ein sicherlich ereignisreiches Jahr 2022 und den
weiteren Ausbau des Backbone.
Es wünschen ein frohes neues Jahr 2022
die Berliner Freifunker:innen
[1] https://github.com/freifunk-berlin/falter-packages
[2] https://github.com/freifunk-berlin/bbb-configs
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